Sensationelle Funde auf dem Gelände des ehemaligen Pfarrhofs

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Nach mehr als 1200 Jahre in Neufahrns Erde kommen diese drei Toten wieder ans Tageslicht

Zeitzeugen aus dem Frühmittelalter

Kies soweit das Auge reicht, ein Bauwagen, ein Pavillon als Regenschutz, Menschen, die auf dem Boden knien und in der Erde kratzen. Von außen sieht das eingezäunte Gelände am Pfarrweg 7 eigentlich aus wie eine ganz normale Baustelle. Oder doch nicht? Darf man hineingehen, dann entdeckt man dunkle und rot umrandete Flecken im Kies, gelbe Schnüre kreuz und quer gespannt, exakt ausgeschachtete kleinere und größere Gräben. Des Rätsels Lösung: hier sind Archäologen am Werk!

Im sog. „Bayernatlas“ sind alle Bodendenkmäler verzeichnet, die bei Bauvorhaben entdeckt wurden. Soll in deren Nähe oder angrenzend an ein Gelände mit einer früheren Ausgrabung gebaut werden, ist der Bauherr verpflichtet, Archäologen einzuschalten. Kann davon ausgegangen werden, dass ein Baugrundstück archäologisch von Bedeutung ist, nimmt die für den Landkreis Freising zuständige Kreisarchäologin Delia Hurka eine Einschätzung vor. Sie ist auch für die Koordination und Beratung von Bauherren und Gemeinde zuständig, gemeinsam wird entschieden, was zu tun ist. Ausgrabungen müssen von einer qualifizierten Fachfirma durchgeführt werden, alle Funde sind genauestens zu dokumentieren.

 

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Wie läuft das nun ab, wenn Funde vermutet werden? Zuerst wird der Humus abgetragen, denn wenn der Oberboden entfernt ist, sieht man an den unterschiedlichen Farben des Bodens relativ deutlich, ob sich darunter etwas aus früheren Zeiten verbergen könnte. Alles wird angezeichnet und mit einem Netz von Schnüren werden die Schnittstellen vorgegeben, an denen entlang dann unterschiedlich tief gegraben wird, je nachdem, wie weit man die Bodenveränderung erkennen kann. Manchmal geht es nur 25 cm in die Tiefe, oder, wie bei den drei Brunnen, die auf dem ehemaligen Pfarrhofgelände gefunden wurden, mehr als 2 Meter. Mit dieser Methode wurden hier auch zahlreiche Pfostenlöcher entdeckt, die darauf schließen lassen, dass an dieser Stelle vor Jahrhunderten größere und kleinere Häuser standen. Auf Luftbildern lässt sich deren genaue Größe und Anordnung besonders gut erkennen.


Sensationellster Fund war jedoch ein Grab, in dem sich drei Skelette befanden. Das eindrucksvolle Foto der geöffneten Grabstelle wurde uns freundlicherweise vom Büro für Archäologie Neupert, Kozik und Simm zur Verfügung gestellt. Ernest Lang, Vorstand des Heimat- und Geschichtsvereins, berichtet dazu, dass es bereits aus dem Jahr 804 erste schriftliche Belege gibt, dass in „Niuuiuara“, wie Neufahrn damals hieß, in der Nähe des jetzigen Fundorts eine Kirche gestanden haben muss. Die Toten – zwei Männer und eine Frau – waren auf dem Rücken liegend und mit dem Blick nach Osten beerdigt, eine Bestattungsart, die, so Ernest Lang, den Schluss zulässt, dass diese drei Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit Christen gewesen sind. Er hat auch eine Information zu der Zeit, aus der sie stammen: „Die wissenschaftliche Leiterin der Grabungen, Bianca Grün, ordnet die drei Skelette der Karolinger Zeit zu, also dem Frühmittelalter um 800.“

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Als Kreisarchäologin begleitet Delia Hurka auch die Neufahrner Ausgrabungen und erklärt die Zusammenhänge: „Bereits damals war der Friedhof an der Kirche und die Ansiedlung befand sich in der näheren Umgebung, man kann also davon ausgehen, dass hier der ursprüngliche Kernort des heutigen Neufahrn war.
Gefunden wurden jedoch nicht nur die drei Skelette, sondern auch zahlreiche Teile von Alltagsgegenständen wie z.B. Keramikscherben, die, so Delia Hurka, besonders hilfreich bei der zeitlichen Zuordnung sind mit ihren für die jeweilige Zeit typischen Formen und Verzierungen. Grabungsleiter Bernhard Grün zeigt als Beispiel dazu mehrere „Spinnwirtel“, kleine runde Gewichte, die auf eine Art Spindel gesteckt nach unten hängend den Faden festhielten und beschwerten. Das Ganze wurde zum Rotieren gebracht. So wurde die Wolle gesponnen und auf der Spindel aufgewickelt.

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Keramikscherben und Spinnwirtel – typisch für das Alltagsleben im Frühmittelalter

 

Was geschieht nun mit den Funden? Ehe die Ausgrabungsstätten für den Baubeginn freigegeben werden, wird jeder Fund an der jeweiligen Fundstelle genau vermessen und fotografiert. Alles wird im Detail dokumentiert und erst danach entnommen, um letztendlich dann einen Platz im archäologischen Staatsarchiv zu finden. Dort wird auch die letzte Ruhestätte für die drei Skelette sein. Auf die Frage, warum man sie nicht einfach im Boden belässt, hat die Kreisarchäologin eine einleuchtende Antwort: „Würde man sie im Boden lassen, würden sie sicherlich von einer Baggerschaufel zerstört werden. So aber werden sie sehr vorsichtig geborgen und würdig aufbewahrt.“

Sobald wieder öffentliche Veranstaltungen möglich sind, plant der Heimat- und Geschichtsverein Neufahrn gemeinsam mit der Kreisarchäologin einen Vortragsabend zu den Ausgrabungen am Pfarrweg.

 

Für Sie berichtete Maria Schultz.

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