Ernest Lang, 1. Vorsitzender des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn, erinnert an das Kriegsende und den demokratischen Neubeginn in Neufahrn
Ernest Lang berichtet über die Ereignisse in Neufahrn nach 1945
Die Reihe der Vorträge zum Kriegsende vor 80 Jahren wurde am 30. September mit einer weiteren Veranstaltung des Heimat- und Geschichtsvereins Neufahrn fortgeführt. An diesem Abend beleuchtete der 1. Vorsitzende Ernest Lang das Thema „Kriegsende und demokratischer Neubeginn in Neufahrn nach 1945“.
Anhand zahlreicher Details schilderte er die Situation, die kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Ort herrschte. Die Amerikaner hatten die KZ-Häftlinge im Arbeitslager und die Kriegsgefangenen befreit. Die Häftlinge wollten nicht in den Baracken bleiben und suchten Unterkunft bei Neufahrner Bauern, die bereit waren, sie aufzunehmen und mit Verpflegung zu versorgen. Die Kriegsgefangenen machten sich bald auf den Weg in ihre Heimat, ebenso die amerikanischen Soldaten. Ein einziger Kriegsgefangener blieb bis zu seinem Lebensende in Neufahrn.
Ehe die Amerikaner den Ort verließen, wurde der damalige NS-Bürgermeister und Ortsgruppenleiter Georg Herpich aus dem Amt entfernt und durch den ehemaligen Gemeindeschreiber Martin Bichlmeier ersetzt. Da die Bürger – berechtigte – Angst vor Plünderungen, Diebstählen und auch vor Racheakten der befreiten Häftlinge hatten, stellten sie relativ schnell eine Hilfspolizei auf.
Bei den folgenden Entnazifizierungsprozessen spielte der Neufahrner Pfarrer Jungmann eine große Rolle und sein Wort hatte Gewicht. Er schlug einen Versöhnungskurs ein, den auch der im Jahr 1946 neu gewählte Bürgermeister Georg Böswirth übernahm. Die Beurteilung des NS-Bürgermeisters und NSDAP-Mitglieds Georg Herpich und des NS-Gauamtsleiters Eugen Häuser durch Pfarrer Jungmann und Bürgermeister Böswirth fiel offensichtlich nicht besonders schwerwiegend aus, denn beide kamen mit einer milden Strafe bzw. einem Aufenthalt im Internierungslager davon.
Es begann die Zeit des großen Vergessens und Verdrängens, in der der eine alte Nazi den anderen entlastete, denn die Menschen im Ort wollten es sich offensichtlich nicht mit dem Nachbarn verderben. So kam es, dass Georg Herpich sich 1948 wieder um das Amt des Bürgermeisters bewerben konnte und diese Wahl tatsächlich gewann. Empörte Reaktionen einzelner Bürger folgten, die Wahl wurde aufgrund eines Verfahrensfehlers annulliert und Johann Thaler wurde neuer Bürgermeister in Neufahrn.
Auch in anderen Bereichen zeigte sich die neue Zeit. Der Turnverein Neufahrn nannte sich jetzt TSV Neufahrn und aus dem Vereinsstempel wurde das Hakenkreuz entfernt und auch der Fußballverein wurde gegründet. Der in der Nazizeit verbotene Katholische Burschenverein lebte wieder auf und sorgte u.a. für Theatervorstellungen im Ort. Traditionen wie das Aufstellen des Maibaums, und Veranstaltungen kehrten ins Dorfleben zurück.
Mit einem großen Fest wurde das 40-jährige Priesterjubiläum von Pfarrer Jungmann gefeiert und er wurde zum Ehrenbürger ernannt.
Georg Herpich ließ offensichtlich alle Unterlagen vernichten, die Rückschlüsse auf seine NSDAP-Mitgliedschaft zuließen. Er stellte sich erneut zur Wahl und war von 1956 bis 1960 Neufahrner Bürgermeister. 1964 trat er nicht mehr an. Er war hochgeachtet und trotz seiner NS-Vergangenheit erhielt er das Bundesverdienstkreuz, die Ehrenbürgerwürde wurde ihm verliehen und eine Straße nach ihm benannt. Seine Nachfolgerin im Amt war übrigens Käthe Winkelmann, die erste weibliche Bürgermeisterin in Bayern.
Mit dem Blick auf die Gegenwart und einem eindringlichen Appell beendete Ernest Lang seinen Vortrag: „Gerade jetzt besteht die Verpflichtung, die Vergangenheit nicht zu verharmlosen. Wir müssen uns der Geschichte stellen!“
Nach dem Krieg lebten auch die Traditionen im Dorf wieder auf, wie hier der Maibaum, allerdings an anderer Stelle als jetzt. (Foto: Sammlung Hermine Maas)
Für Sie berichtete Maria Schultz.













