Boule bringt Menschen zusammen: Lothar Brück (re.) spielt mit Johannes Buhl (li)., Stefanie Wölfer (2.v.re.) und (noch) Fremden zusammen. Die nächste Partie ist schon beschlossen.
In der Luft hängt eine berauschende Duftmelange von Lavendel, Pastis, Thymian und Orangenblüten. Einige Männer stehen auf einer Kiesbahn, die von Platanen umsäumt ist und blicken auf silbrig glänzende Kugeln auf dem Boden. Während einer, leicht vorn übergebeugt, mit auf dem Rücken verschränkten Armen ruhig redet, diskutieren neben ihm zwei Männer wild gestikulierend, andere zucken die Schultern und wiegen den Kopf. Jeder Südfrankreich-Urlauber kennt diese Szene einer Gruppe, die sich auf einem Dorfplatz mit Boule oder Pétanque die Zeit vertreibt.
Ein bisschen „Savoir-vivre“, die Kunst das Leben zu genießen, ist seit wenigen Tagen auch in Neufahrn, neben dem Basketballfeld am Galgenbachweiher möglich. „Toll, dass wir jetzt eine Boule-Bahn haben. Normalerweise bin ich deshalb immer nach München gefahren“, meint Stefanie Wölfer begeistert. Sie liebt das Spiel, das auf unkomplizierte Weise Menschen zusammenbringt. Mitmachen kann jeder, unabhängig von Fitnessgrad, Optik, Gewicht, Alter, Größe oder Behinderung. „Nimm, schmeiß und gut is´“, erklärt Johannes Buhl die Schlichtheit des Spiels, das sich jenseits französischer Grenzen, einer immer größeren Beliebtheit erfreut. „Es ist eine Sportart, da kann man sich unterhalten, ein bisschen Müßiggang machen. Die Gemeinde fand es toll, weil hier alt und jung zusammen spielen können“, fasst Lothar Brück, Initiator der Boule-Bahn, das Besondere zusammen. Der Freund der ruhigen Kugeln, freut sich sehr über den umgesetzten Vorschlag aus dem Bürgerhaushalt 2019: „Es ist die Vorstellung mit anderen Menschen ins Gespräch zu kommen. Sie treffen sich hier, ohne Verabredung, spielen miteinander oder schauen zu. Es ist ein einfacher Weg andere kennenzulernen.“ „Et voila!“: Kaum ausgesprochen, bleiben die ersten stehen, schauen zu und machen nach kürzester Zeit mit.
Die Ursprünge des unterhaltsamen Spiels reichen bis auf 460 v. Chr. zurück. Seine Regeln sind denkbar einfach: Beim Boules nehmen die Spieler drei Schritte Anlauf, wenn sie Pétanque (von: pieds tanques) spielen, halten sie beim Abwurf die „Füße zusammen“. Diese entspannte Variante, erfindet um 1910 in einem kleinen Dorf bei Marseille ein Rheumakranker. Spieler müssen bis zu drei Boules durch einen Wurf zum “cochonet”, dem „Schweinchen“ (kleine Holzkugel) platzieren. Einen Punkt erhält der, dessen Boule am nächsten liegt. Gezieltes „Wegschießen“ des Gegners ist erlaubt. Wer zuerst 13 Punkte hat, gewinnt. Spielt jemand eine Nullrunde, muss er „Fannys Hintern küssen“. So will es der Brauch, den vor etlichen Jahren zwei Spieler durch eine Wette ins Leben rufen. Fanny ist eine dicke Kellnerin, die damals den Kontrahenten den Pastis in deren Stammkneipe serviert. In der Provence hängen bis heute oft Holzabbilder der Pobacken von Fanny in den kleinen Schenken. Wo und ob Fannys Allerwertester allerdings auch in Neufahrn hängen soll, ist sehr ungewiss.
Vor 35 Jahren kauft Lothar Brück seine Boules und spielt seither. Auch Johannes Buhl besitzt seine seit Jahrzehnten: „Die haben schon französischen Sand gesehen, sie sind aus der Normandie“, meint er verschmitzt. Genauso viel Spaß macht es auf dem neuen Treffpunkt, sozusagen Neufahrns „Boulodrome“ im „petit quartier français“ zu spielen, wissen beide.
Für Sie berichtete Manuela Praxl.