Poetry Slam in der Bibliothek – Junge Wortkünstler

Kategorie: Veranstaltungen

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Pascal Simon moderiert den kleinen Poetry Slam

Sie sind wortgewaltig und wortgewandt – Wortakrobaten, die mit ihren Wortkreationen den Zuhörer stellenweise wortlos macht, weil er staunt, schmunzelt, lacht, nachdenkt oder ihm das Wort im Hals stecken bleibt. Vier junge Poetry Slammer nehmen ihr Publikum in der Bibliothek mit auf Gedankenreisen. Dabei drehen sich die Ideen, Fantasien, Fiktionen und Seeleneinblicke weniger im Kreis, sondern sind vielmehr vergleichbar mit einer unbekannten Gehirn-Achterbahnfahrt mit Höhen und Tiefen, Drehungen, Wendungen und wilden Loopings. In einem Poetry Slam stellen sich die jungen Talente einem Dichter-Wettbewerb, der nur drei Regeln vorgibt. Die Vortragenden präsentieren selbstverfasste Texte, die nicht länger als fünf bis sechs Minuten umfassen sollen, in Alltagskleidung, ohne Requisiten. Zum Schluss kürt das Publikum den Sieger durch entsprechenden Applaus.

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Perspektivenwechsel

Schauspieler, Comedian und Autor Pascal Simon moderiert den Abend mit drei jungen Wettbewerbern. Vorher will Simon das Publikum namentlich „kennenlernen“. Da eine individuelle Vorstellungsrunde zu lange dauere, fordert Simon alle Anwesenden auf, nach einem kurzen Countdown, zeitgleich den Vornamen zu rufen: „Das funktioniert doch super“, kommentiert er spitzbübisch die unverständliche Namen-Melange, bevor er einen eigenen älteren Text vorträgt, mit einem Smartphone. Der Hauptakteur ist ein Smartphone. Nachdem sein alter Mensch total kaputt ist, sucht es in einem Fachgeschäft nach einem neuen mithilfe eines intelligenten Verkaufsautomaten (IVA), der großes Verständnis für die Misere vorgibt und säuselt: „Na ja, Sie wissen ja, wie so etwas ist. Aber dass diese neumodischen Menschen nach einem kleinen Sturz komplett abstürzen, ist wirklich ärgerlich.“ Die Rettung naht in Form des aktuellsten Modells für nur 1.200 Euro mit Gratisdownload Abitur 2.0, das der Käufer nach nur zwei Jahren zum Bachelor aufstocken könne. Lediglich das 1.0 koste einen Aufpreis. Nach einigen Fragen zu Updates, Garantie und W-LAN, die Menschen dazu befähigen miteinander Informationen austauschen zu können, beruhigt der IVA das zögernde Smartphone: „Ich gebe Ihnen die Garantie: Einen Menschen mit freien Willen wird es niemals geben.“

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Wir garnieren gar Nieren

Drei junge Teilnehmer zwischen 19 und 20 Jahren verarbeiten ihre Gedanken, die sich um die Fragen Job, Zusammenziehen und Geschlechterdiversität drehen. Yannik Ambrusits aus Würzburg ist der erste Teilnehmer und zeigt die Bandbreite der poetischen Möglichkeiten und Themen. Er beginnt mit einem kurzen Mitmachgedicht „Aus der Sicht eines zivilisierten Kannibalen“, indem er genussvoll, ganz nach dem Motto „reim dich oder ich fress´ dich“, die Vorliebe zum Dekorieren der Menschenfresser verarbeitet: schließlich esse das Auge mit. Im Anschluss stellt der 20-Jährige fest, er sei in einem Alter, indem er alles ausprobieren dürfe, verweist aber auch auf die Kehrseite der Medaille: „Alle Gleichaltrigen sind hart überfordert, weil sie nicht wissen, was sie mit dem Leben anfangen sollen.“ Dabei wollen sie doch Philosoph, Moderator und Entertainer sein: „Hauptsache kein Anglizismus Job bei Zalando/Communication/Marketing Supervisor.“ Es solle etwas sein, das einen Wikipedia-Eintrag auf Englisch bringe, „denn dann hat man es geschafft“. Doch statt der oft geforderten und gesuchten Freiheit ziehen die meisten Sicherheit vor: Veränderung ja, aber bitte keine Verantwortung. Irgendwann kommen die Fragen und die Erkenntnis „Warum habe ich nicht? Hätte ich doch bloß …“ und das Wissen sich niemals verzeihen zu können, „jemand geworden zu sein, obwohl man geschworen hat, so niemals sein zu wollen“. Angesichts dieser Überlegungen klinge das Anglizismus-Jobangebot doch recht „tindertauglich“, warum also nicht dort bewerben?

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Kopfzimmer und OK ist nicht OK

Naemi thematisiert in ihrem Text „Kopfzimmer“ Bindungsängste, spricht vom Zusammenziehen mit einem Mann und die Zweifel, die hochkommen, beim Auspacken der Umzugskartons. Sein Strahlen sei viel zu grell, die Situation mache Angst. „Vielleicht ist es in einem anderen Zimmer ja viel schöner, weil es dort höhere Decken gibt, an die sie nicht so anecke? Vielleicht gibt es dort andere Männer, neben denen ich besser schlafe?“, fragt die Dichterin. Was passiere, wenn er nicht „der Wahre“ sei und sie mit dem Falschen in ihr Kopfzimmer ziehe? Sie wolle ihn nicht verlassen, aber vielleicht müsse sie in ihrem eigenen sein, um sie selbst sein zu können. Aber irgendwann, so ihre Hoffnung, ziehe sie mit jemandem gemeinsam in ein Kopfzimmer und wolle nirgendwo anders mehr sein. „Kontrahentin“ Rahel Behnisch beschreibt sich und ihre Kleidung in ihrem Text detailliert. Sie findet sich attraktiv, so wie sie ist, mal mit Sport-BH, dann Kleid, manchmal Jeans und groben Hemd und hat „große Lust, auch andere attraktiv zu finden“. Schließlich meldet sie sich auf einem Datingportal und erkennt eine Hürde, in dem sie männlich, weiblich oder drei Pünktchen anklicken muss. „Wir sind das „d“ in Stellenanzeigen, das Sternchen oder der Doppelpunkt.“ Oute sie sich bei einem Date von Angesicht zu Angesicht, komme häufig: „Ok, hm“, oder „Ja, finde ich vielleicht ok.“ Diversität sei immer noch nicht in der Gesellschaft angekommen, dabei wolle sie alles leben, die gesamte Palette. „Und ich freue mich, wenn genau das die Leute an mir mögen.“ Das Publikum mag Rahel, Naemi und Yanick – alle drei bekommen einen Preis. Ein kleines Pinguinbuch, ein Notizheft und eine Tasse.

Für Sie berichtete Manuela Praxl.

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