Die 150 Jahre alte Traditionsgaststätte stellt uneingeschränkt das gesellschaftliche und soziale, kulturelle und kulinarische Zentrum des rund 600 Einwohner zählenden Dorfes dar
Dorfgemeinschaft will Genossenschaft gründen und Traditionsgasthof kaufen
Das große Thema in Giggenhausen ist die Zukunft des Metzgerwirts, im Herzen der Ortschaft gelegen – und für die ganze Dorfgemeinschaft eine Herzensangelegenheit. Durch den geplanten Verkauf drohte ganz massiv der Verlust dieser zentralen Versammlungsstätte, doch dank des Engagements und der Eigeninitiative des Teams Dorfwirtschaft und die große Unterstützung von Bürger- und Vereinsseite zeichnet sich ab, dass der Metzgerwirt in gewohnter Weise weiter Bestand hat – auch noch für kommende Generationen.
Ohne Frage stellt die 150 Jahre alte Traditionsgaststätte uneingeschränkt das gesellschaftliche und soziale, kulturelle und kulinarische Zentrum des rund 600 Einwohner zählenden Dorfes dar, wird von allen Ortsvereinen und Einrichtungen für Versammlungen aller Art und Feste ebenso genutzt wie als Stammtisch und für private Anlässe von der Hochzeit bis zur Beerdigung.
„Der Fortbestand unserer Dorfwirtschaft ist überlebenswichtig für unsere – noch – einzigartige Vereinsstruktur und die Attraktivität und die Lebensqualität in Giggenhausen“, heißt es dazu im flächendeckend verteilten Informationsschreiben des zwölfköpfigen Teams „Dorfwirtschaft“, das sich der Rettung des Metzgerwirts verschrieben hat. Es sind allesamt „leidenschaftliche Giggenhausener“, die sich auf Initiative von Josef Geil und Dr. Christoph Aichinger zusammengeschlossen haben, namentlich Elisabeth Baur, Stefan Muschalla, Christoph Ziegltrum, Bernd Baunach, Sebastian Geil, Philipp Nadler, Hubert Moosrainer jun und Rudolf Geil. Sie sind allesamt in den Ortsvereinen aktiv, bringen für ihr ambitioniertes und außergewöhnliches Projekt unterschiedlichstes Know How und Berufe mit, sind als IT-Spezialist, Steuerberater, in der Gastro-Beratung oder im Bankwesen tätig, als Bauingenieur, Tierarzt, Polizeibeamter und Handwerker.
Wie ist es zu der prekären Lage und ungewissen Zukunft des Metzgerwirts gekommen?
Schon seit mehreren Jahren ist die langjährige Wirtin Elisabeth Kratzer, die den Metzgerwirt 1999 übernommen, umgebaut und erweitert hat, aus gesundheitlichen Gründen auf der Suche nach einem Käufer und Nachfolger, der Gasthof und Hotel auf bewährte Art und Weise weiterführt. Zwar ist die 1.000-Quadratmeter große Immobilie, zu der ein ebenso großer Außenbereich zählt, wegen ihrer exzellenten Lage durchaus ein Objekt der Begierde. Allerdings gab es keinen einzigen Interessenten, der gewillt war, den Metzgerwirt in gewohnter Art und Weise als Vereinstreffpunkt und gesellig-gesellschaftliches Ortszentrum aufrecht zu erhalten: Wenn ein privater Investor das Grundstück erwirbt, muss mit einer profitableren Nutzungsänderung gerechnet werden, bei der das Vereins- und Dorfleben auf der Strecke bleibt, ein ganz schlimmes Zukunfts-Szenario, dem das Team Dorfwirtschaft vehement und aktiv gegensteuert – im Auftrag der gesamten Einwohnerschaft. 800 Stunden ehrenamtlicher Arbeit wurden ein- und aufgebracht (Stand Ende Mai), denn es geht ums Ganze – um den Weiterbestand. „Es ist fünf vor Zwölf“, hieß es bei den insgesamt drei gutbesuchten Präsentationsveranstaltungen Ende Mai, bei denen der Bürgerschaft die Pläne zur Rettung des Metzgerwirts präsentiert wurden, verbunden mit einem emotionalen und dringlichen Appell, als Zeichen ihrer Wertschätzung und aus Solidarität in die Zukunftssicherung ihres lebendigen Ortszentrums im Herzen der Gemeinde einen Betrag x zu spenden, je nach finanziellen Möglichkeiten und persönlicher Bereitschaft, der in eine noch zu gründende Genossenschaft eingebracht werden soll. Jeder Genossenschaftler haftet nur in Höhe der selbst getätigten Einlage – und hat ein Mitspracherecht, unabhängig vom erbrachten Kapital. Das avisierte Startkapital von einer Million entspricht knappen 30 Prozent der Gesamtinvestitionssumme von 3 Millionen Euro, wobei 2,5 Millionen die Kaufsumme darstellt und etwa 500.000 Euro für anfallende „Nebenkosten“ für Gutachten, notwendige Ertüchtigungen und Modernisierungen, etwa bei Anforderungen an Energetik oder Brandschutz kalkuliert werden.
So war man natürlich gespannt, welche durch unterschriebene Absichtserklärungen die (Anonymität ist garantiert) zugesicherte Summe beim Aufruf bis zum gesetzten Termin, dem 12. Juni, zusammenkommen würde. Das Ergebnis war gigantisch und gibt Anlass zu großer Hoffnung: Die zugesagte Summe beläuft sich auf unglaubliche 751.030,00 Euro!
„Damit steht fest – wir gehen weiter unseren Weg in Richtung Genossenschaft. Vielen Dank an alle, die sich beteiligen wollen! Wir sind absolut überwältigt von Eurem Vertrauen und fühlen uns verpflichtet weiter zu machen!“ heißt es dazu vom Team Dorfwirtschaft. Noch bis zum 27. Juni läuft ein zweiter Spendenaufruf, nachdem das außergewöhnliche Projekt erst nach seinem Start durch Presse- und Radioberichterstattung auch außerhalb der Ortschaft bekannt gemacht wurde. Nun steht eine Intensivierung hinsichtlich der Gründung der Genossenschaft an, die über den Genossenschaftsverband Bayern erfolgen soll und damit auch eine Konkretisierung bei der – bis dato schon recht erfolgreichen – Pächtersuche.
Ergebnis der Auszählung
• 225 Absichtserklärungen (davon 211 Privatpersonen, 7 Vereine, 5 Firmen, 2 Vereine ohne Adressangabe)
• Der größte Anteil der Zusagen kommt aus Giggenhausen, weitere Zusagen aus über 20 Ortschaften.
• Kleinster Betrag: 30 €
• Größter Betrag: 25.000 €
• Am häufigsten genannte Summe (51 x): 1.000 €
Für Sie berichtete Ulrike Wilms.